9. März 2009

Zeit für Weltfrauenorganisation gekommen

New York – Seit Jahren fordern Frauenrechtler eine eigene UN-Organisation für Frauen. Jetzt scheint sich ihre Lobbyarbeit auszuzahlen. Nach Einschätzung des ehemaligen UN-Sondergesandten Stephen Lewis ist es nunmehr eine Frage der Zeit, bis eine solche Stelle bei der Weltorganisation eingerichtet wird. "Sie wird kommen", sagt er.

Lewis vertrat zwischen 1984 und 1988 Kanada als Botschafter bei den Vereinten Nationen und diente dem ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan von 2001 bis 2006 als Sondergesandter für HIV/Aids in Afrika. 2003 gründete er in Toronto die nach ihm benannte 'Stephen Lewis Foundation' (SLF), die sich in Afrika für Frauen, Aidswaisen und Organisationen von HIV-Positiven einsetzt. Bisher unterstützte die SLF an die 300 Graswurzelprojekte in 15 afrikanischen Staaten südlich der Sahara.

Lewis macht sich seit langem für die Frauenrechte auch bei den Vereinten Nationen stark und plädiert wie seine Mitstreiter für die Zusammenlegung der drei existierenden UN-Frauenstellen. Der UN-Entwicklungsfonds für Frauen (UNIFEM), das Büro des Sonderberaters für Genderfragen und die UN-Abteilung für Frauenförderung sollen eine neue Einheit bilden und mit einem Budget von zunächst einer Milliarde US-Dollar ausgestattet werden.

IPS: Wo stehen die Gespräche über die neue UN-Frauenorganisation?

Stephen Lewis: Ich hoffe, dass die Resolution zur Gründung noch zum Ende dieses Jahres, oder Anfang 2010 durch-kommt. In den nächsten ein bis zwei Wochen werden die Regierungen einen Vorschlag des Generalsekretariats auf dem Tisch haben und dann ausdiskutieren.
Der amtierende Präsident der UN-Vollversammlung (Miguel d'Escoto Brockmann) ist ein starker Befürworter einer Frauenorganisation. Er gibt sein Amt am 14. September weiter. Das könnte für die neue Organisation noch zu früh sein. Aber sie wird kommen, definitiv. Jetzt brauchen wir zunächst die nötige Architektur. Es ist keine Frage, dass die Unterstützung wächst. Es wird immer klarer, wie nötig eine UN-Frauenorganisation ist.

IPS: Wie wird das Budget ausfallen?

S L: Das steht noch nicht fest. Meine Organisation schlägt für den Anfang eine Ausstattung mit einer Milliarde Dollar vor. Das entspricht einem Drittel der Gelder für das Weltkinderhilfswerk UNICEF und einem Viertel dessen, was das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) zu seiner Verfügung hat. Wir verlangen nichts Unangemessenes, immerhin geht es um die Hälfte der Weltbevölkerung.
Ich habe keine Zweifel daran, dass etliche Staaten, unter ihnen die großen Geber, an Bord kommen, sobald die Organisation steht. Zudem scheint es bereits jetzt und trotz der globalen Wirtschaftskrise Finanzierungszusagen zu geben.

IPS: Werden die Entwicklungsländer der Gruppe der 77 (G77) das Vorhaben blockieren?

S L: Das glaube ich nicht. Ich respektiere die Sorgen der G77, die zunächst neue Auflagen des Westens (...) und eine Gefahr für ihre Unabhängigkeit fürchteten. Es sollte keine versteckten Bedingungen geben. (...) Wir brauchen ehrliche Bemühungen der Intervention im Interesse aller Frauen der Welt. Eine Reihe von führenden G77-Staaten aus Lateinamerika, Asien und Afrika hat ihre Unterstützung signalisiert. Das macht mich hoffnungsvoll.

IPS: Wie holt man Männer ins Boot?

S L: Der beste Weg ist die Stärkung der Frauen im Land. Sie brauchen Kapazitäten, um für ihre Rechte und neue Gesetze eintreten und kämpfen zu können. Nach und nach werden die Männer schon verstehen, dass es einen kulturellen Wandel und eine Verschiebung in der gesellschaftlichen Machtstruktur gegeben hat, und sie werden mitmachen. Der Umgang mit Männern ist nicht leicht, aber mit der Zeit begreifen sie, was passiert. Entscheidend ist, dass wir Frauen im Land stärken. Im Abstrakten können wir diesen Kampf nicht führen.

IPS: Wie ist es um die Gleichstellung bei den UN bestellt?

S L: Das sogenannte Gendermainstreaming ist auf ganzer Linie gescheitert. (...) Die Wahrheit ist, dass Gendermainstreaming die Ungleichheit der Frau festschreibt – so ist das Konzept. Es ist ein Rezept für die Un-gleichheit. Solange Frauen nicht Ernst genommen werden und gleichgestellt sind, werden sie immer kämpfen.

IPS: Was halten Sie von Sicherheitsratsresolutionen für Frauen?

S L: Sie sind bedauerlich. Sie liefern schöne Worte ohne Taten. So wurde etwa die berühmte Resolution 1325 vom Oktober 2000, die die Integration von Frauen in Friedensprozesse vorschreibt, nicht umgesetzt. Nie haben Frauen zu Friedenskonferenzen am Verhandlungstisch gesessen. Es ist, als gäbe es die Resolution nicht, auch wenn wir ständig über sie reden. (...) Auch haben wir seit letztem Jahr eine Resolution zur sexuellen Gewalt.
Man hat schon das Gefühl, dass die Verpflichtung zur Umsetzung in dem Moment schwindet, im dem sie schriftlich fixiert ist. (...) Die Frage stellt sich, ob das Verhalten Männern gegenüber auch so wäre. Die Antwort ist nein. Untätigkeit gibt es nur, weil es um Frauen geht. - Nergui Manalsuren | Deutsche Bearbeitung: Heike Nasdala | IPS EUROPA (TD040309)