15. Februar 2009

INDIEN: Erster Bericht zur städtischen Armut – Über 80 Millionen Menschen betroffen

Indien hat mit Unterstützung des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) einen ersten Bericht zur Armut in den Städten erstellt. Dem Report zufolge leben in dem südasiati-schen Staat derzeit über 80 Millionen Städter in Armut. Das entspricht in etwa der Einwohnerzahl Ägyptens. Betroffen sind in Indien mehr als 25 Prozent der städtischen Bevölkerung von rund 286 Millionen Menschen, vor allem Slumbewohner und Obdachlose.

"Das Tempo der Urbanisierung in Indien nimmt zu, und mit ihm wächst die städtische Armut, ob-wohl 62 Prozent des indischen Bruttoinlandsprodukts in den Städten generiert wird", sagte die indi-sche Wohnungsbauministerin Kumari Selja bei der Präsentation des Berichts Anfang Februar in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi.

Nach dem neuen Report, an dem 16 prominente Autoren, Wissenschaftler und Vertreter der Zivil-gesellschaft mitwirkten, werden bis 2030 575 Millionen Inder oder 41 Prozent der Bevölkerung in Städten leben. Zwar ist die indische Urbanisierungsrate niedriger als in anderen Ländern in der Re-gion, aber die Zahl Städter steigt schneller, als die Bevölkerung im nationalen Durchschnitt wächst.

Auch leben in Indien noch immer mehr Arme in ländlichen Regionen als in urbanen Zentren, aber die Kluft wird seit einigen Jahrzehnten geringer. Zudem spiegelt sich das Wirtschaftswachstum nicht in einem Rückgang der Armut in den Städten. Die größten Probleme der städtischen Armen sind fehlender Zugang zu angemessenen Unterkünften, sicherem Trinkwasser, Sanitäranlagen, dem Bildungs- und Gesundheitssystem und zu sozialer Absicherung.

Über die Hälfte der Armenviertel ohne Toiletten

Die meisten Slumbewohner – 11,2 Millionen – leben im westindischen Unionsstaat Maharashtra. Es folgen Andhra Pradesh im Südosten mit 5,2 Millionen und Uttar Pradesh mit 4,4 Millionen im Nordosten. Engste und ungesündeste Lebensverhältnisse bestimmen das Dasein in den Slums. Es fehlt an unter anderem Trinkwasser, medizinischer Versorgung und Toiletten. Wie der Bericht he-rausstellt, gibt es in fast 55 Prozent der Slums keine Sanitäranlagen. Auch sind die meisten der we-nigen existierenden öffentlichen Toiletten nicht zu benutzen, weil sie nicht instand gehalten werden.

Dramatisch ist auch die Lage der Obdachlosen in Indien. Ihre Zahl beläuft sich nach dem Zensus von 2001 auf fast 7,8 Millionen Menschen. Sie leben zu 3,1 Prozent in Neu-Delhi und zu 1,6 und 7,3 Prozent in Bihar im Nordosten und Tamil Nadu im Südosten. In Delhi etwa gibt es für über 100.000 Obdachlose ganze 14 öffentliche Nachtasyle, in denen maximal 2.937 Menschen unter-kommen können. Die Obdachlosen leiden nicht nur unter Vereinsamung – 71 Prozent haben nach eigenen Angaben keine Freunde –, sondern auch unter der gewaltsamen Vertreibung durch die Poli-zei, die sie nachts von ihren Schlafplätzen verjagt.

Landflucht macht arm

Die Autoren des neuen Berichts sind ferner der Frage nach einem Zusammenhang zwischen der innerindischen Migration und der städtischen Armut nachgegangen. Offenbar hat die Migration in Indien seit 2001 nach einem Rückgang in den Jahren 1961 bis 1991 zugenommen. Wichtigstes Mo-tiv für einen Umzug innerhalb des Staates ist die Hoffnung auf höhere Einkünfte. Sie treibt die Menschen aus armen in die wohlhabenden Unionsstaaten.

Im Durchschnitt sind Migranten in Indien weniger arm als Nicht-Migranten. Das aber trifft nicht auf Migranten aus ländlichen Regionen zu, die in Städte abwandern. Menschen, die von einer Stadt in die andere wechseln, profitieren am meisten von ihrer Mobilität. Besonders wenig Neigung zu einem Wohnortwechsel haben in Indien die Angehörigen der mittleren und höheren Einkommens-schichten. - Heike Nasdala (11.02.2009) | (c) Copyright IPS Europa gGmbH

Weiterführender Link: UNDP

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