3. Mai 2009

Genug Wasser in der Wüste

Madrid – Immer wieder wird vor Kriegen um Wasser gewarnt. Besonders im Nahen Osten sei Wasser knapp und die Spannung dementsprechend hoch, sagen Experten. Der tunesische Geologe Habib Ayeb jedoch meint, es gibt genug Wasser in der Wüste. Für ihn ist das Problem der Wasser-knappheit kein geologisches, sondern ein politisches. 'Wassersupermächte' kontrollierten das Wasser, und es fehle an internationalen Abkommen, die den Zugang für Alle wirkungsvoll regelten.

Ayeb, Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Thema und mit Lehrstühlen in Paris und an der Amerikanischen Universität Kairo ausgestattet, stützt seine These im Wesentlichen darauf, dass der Nahe Osten zwar Teil eines Wüstenplateaus ist, das vom Atlantik bis zu den Taurus- und Zagros-Bergzügen im Iran und Irak reicht, aber reichlich Wasser durch den Nil und durch Euphrat und Tigris erhält.

Zusammen führen diese Gewässer rund 160.000 Millionen Kubikmeter Wasser pro Jahr – wesentlich mehr, als die 150 Millionen Menschen der Region eigentlich brauchen. Das Problem liege also nicht beim Angebot, sondern in der Verteilung. Im Irak stehen nach Ayebs Berechnungen rund 4.000 Kubikmeter Wasser pro Kopf und Jahr zur Verfügung, im Gazastreifen aber nur 200 Kubikmeter. Dieses Ungleichgewicht sei rein politischer Natur. Er kenne "kein politischeres Thema als Wasser", sagt Ayeb.

Das hat auch Auswirkungen auf den zentralen Konflikt zwischen Israel und Palästina. "Weder Israel noch die Palästinenser haben genug Wasser, beide sind auf externe Ressourcen angewiesen", un-terstreicht der Experte. Israel könne seine Probleme unter Umständen dadurch lindern, dass es große Agrargebiete am Euphrat und Tigris als Anbauflächen quasi 'miete', der neue Irak biete dazu die Möglichkeit.

Diese Praxis, so Ayeb, sei als 'virtuelles Wasser' bekannt: "Wasser wird von einem Land bei einem anderen in Form landwirtschaftlicher Produkte 'gekauft', die mit dem Wasser des verkaufenden Landes bewässert werden." Kriege um Wasser hält er in der Region hingegen für unwahrscheinlich.

Der Hauptgrund dafür sei, dass kein Land Interesse an einem Krieg habe, der ihm im Endeffekt nicht mehr Wasser bringe. Das gelte für Israel, die Türkei und Ägypten – die Staaten, die das meiste Wasser in der Region verbrauchten –, aber auch für Staaten wie Palästina, Jordanien und den Irak, die schon nicht über die Mittel verfügten, sich mit Israel oder der Türkei anzulegen.

Die existierenden Abkommen über Wasserrechte hält der Geologe für wirkungslos: Entweder seien sie nicht allgemein akzeptiert oder nicht durchsetzbar und offen für Interpretationen. "Nehmen Sie das Beispiel der Türkei: Sie betrachtet weder den Euphrat noch den Tigris als internationals Gewässer, weil sie nicht durchgehend schiffbar sind. Daher fühlt sich das Land im Recht, sie nach eigenem Gutdünken zu nutzen und dabei auch Abkommen mit Syrien und dem Irak zu ignorieren." Zugute komme der Türkei ihre wirtschaftliche und militärische Überlegenheit.

Ein 1987 unterzeichnetes Wasserabkommen habe an dieser Situation nicht viel geändert. "Die Türkei baute riesige Dämme wie etwa den Atatürkdamm, der nach Ansicht Syriens und des Irak ihnen den 1987 versprochenen Wasseranteil vorenthält." Zwischen Syrien und dem Irak gibt es ähnliche Auseinandersetzungen um einen Damm auf syrischer Seite.

"Wasser war immer ein wirtschaftlich-militärischer Hebel", beobachtet Ayeb. Juristische Mittel gebe es kaum. "Das trifft auf alle Entwicklungsländer zu. Zwischen den Ländern mit Wasserüberschuss und denen mit Wassermangel verläuft eine ganz deutliche Linie, und die fällt genau zusammen mit der Grenze zwischen dem Norden und dem Süden." - Baher Kamal | Deutsche Bearbeitung: Sebastian Voss (TD150409) | IPS EUROPA

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